Tat, Täter, Täterätä – Vor dem Urteil ist nach dem Urteil – VfL vs Leipzig

Ja, ich wohnte dem Skandalspiel (alle Medien, von denen kein Vertreter vor Ort war) bei, in meinem zweiten Wohnzimmer, und es entstand in der osnatelARENA an der Bremer Brücke von Anfang an der berühmte Brückenroar eines Pokalspielabends in dem wohl als erstes familienfreundlichen Fußballstadion der wunderbaren Dritten Liga. Von der Joe-Enochs-Kindertribüne über die WESTSIDE und die Leipziger Gästekurve bis zu meinem Platz Reihe 1/23 auf der Nord (Block J) gab es schon weit vor dem Anpfiff gute Stimmung, auf dem Rasen dann ein Engagement beider Mannschaften, das alle 13.000 Besucher begeisterte, vom Opa bis zur Enkelin, von den Trikotträgern (Trikottag der Tradition) bis zu den Kappen- und Schalschwenkern. Alles war gut, ja supergut – bis ein kleines rotes Feuerzeug die Übermacht der Lila-Weißen zerstörte, geworfen aus dem immer grandiosen Heimbereich Ostkurve Ecke Affenfelsen. Und zu betonen ist, wie es Geschäftsführer Jürgen Wehlend auf der Pressekonferenz tat, daß aus den Heimbereichen der VfL-Sympathisanten seit Jahren, seit der Drittligazugehörigkeit mindestens, weder Randale noch verbotene Traditionstechnik (Pyro) eingesetzt wurde. Auch diffamierende Schmähgesänge gibt es in Osnabrück nicht, Schmähgesänge natürlich schon, weil die organisierten Fangruppen zusammen mit ihrem Verein erfolgreich homophobe, rassistische und antisemitische Rufe an der Bremer Brücke sehr weitgehend gen Null unterbinden konnten.
Und so sah es aus bis zur 70. Minute bei den Lila-Weißen: alles rosarot. Dann das Feuerzeug, das den Pokaltraum jäh zerplatzen ließ. –
Was dann zwar plausibel, aber dennoch falsch ist, ist die Welle der Schuldzuweisungen aus den Reihen der zurecht verbitterten Fans. Nicht nur regt man sich darüber auf, daß die RB-Gäste ‚Auswärtssieg Auswärtssieg‘ skandiert haben, sondern bestimmt sofort einen einzelnen, einen Vereinzelten, einen ganz allein Verantwortlichen zum Schuldigen: den Werfer, der dem Schiedsrichter mit seinem Wurf an die Schläfe eine Gehirnerschütterung zugefügt hat, was notwendig nach den Regeln des DFB zum Spielabbruch führt. Nichts zu deuteln, aber es waren sogar Stimmen zu hören, die diesem ‚Weichei‘ dann die Schuld am Desaster gegeben haben. Obwohl sich der VfL-Präsident noch auf dem Platz bei seiner Ansprache zur Spielabbruchsituation vor allem beim Schiedsrichter entschuldigt hat.
Jeder einzelne, auch jeder Vereinzelte, hat sein Umfeld. Und das sieht – nicht nur bei Fußballenthusiasten ála lila-weiß – vor allem gegen das ungeliebte, aber von DFB erlaubte kapitale Vereinskonstrukt Rasenballsport Leipzig so aus: Neben der sachlichen Kritik an diesem erst 2009 ‚gegründeten‘ Verein ohne Mitgliedermitsprache und mit exorbitatem Mitgliedsbeitrag im Kontext einer überhaupt kapitalismuskritischen Bewertung des modernen Fußballgewerbes gibt es eine verkürzte Kritik, die letztlich auf blanken Haß hinausläuft. Sich selbst nennen die ‚Rasenballer‘ ‚Rote Bullen‘, weil da nochmals marketingzentriert das ‚Red Bull‘ ihrer Konzernführung anklingt. Die zu kurz greifende Kritik stellt ein ‚Rattenball‘ dagegen oder ein ‚Verpißt Euch aus unserem Sport‘ sowie ‚Dosenschießen gegen Leipzig‘. Und eben das Geld, alles könne sich Leipzig kaufen, der Club (scheinbar auch ein Einzeltäter im ganzen Rasensport) mache den schönen Fußball kaputt, sagen sogar Wolfsburg-, Hoffenheim- und Bayernfans. Eine Antiatmosphäre, welche immer da ist, wird nicht wirklich aufgeklärt, sondern ufert aus in blanken Haß, in fehlgeleitete Emotionen. Als ob es in den Kreis- und Bezirksligen besser wäre! Und bei Jugendspielen drehen vor allem die Eltern durch (Schlagwort Heli)!
Der Schuh ist der Kommerzfußball, das Spielfeld der mediale boulevardeske Kapitalismus, und natürlich drückt der Schuh. Und der große Verband, der DFB, tut so, als hätte er die Lage in und an den Stadien im Griff. Mit Regeln, Ordner, Polizei und eigener Gerichtsbarkeit. Nein, hat er nicht. Aber im Fußball sind ja auch auf jeder Seite immer große Einzelne oder Göttlichkeiten verantwortlich, Reichstrainer Hitler, alle Bundestrainer, Pelé, Geist von Spiez, Gerd Müller, Kaiser Franz, der Blatter Depp.
12Freunde – Mein Mannschaftssport! Bekloppt gerade in nicht hingenommenen aber selbst immer risikoreich mitgetragenen Niederlagen!
Ich gebe ab an Monty Python.
Fotos eines Pokalabends
Videos aus dem besten aller Fußballstadien
Die Sportschau/Feuerzeugwurf
Das Urteil/Spielwertung
Der Kommentar/NOZ
Der Kommentar/taz
Der Kommentar/nd
Stellungnahme Fanabteilung
Stellungnahme Fanclubverband
Stellungnahme Violet Crew

Täter ermittelt

Rainer Kühn Der VfL war der Täter zur Verantwortung. Hat der DFB gerecht so entschieden und hat mein Verein zurecht anerkannt die Spielwertung. Deshalb liebe ich den VfL, weil er vernünftig ist; nicht wegen der illusionären und manchmal auch mehr als fehlgehenden Fanmeinungen.

Lila-Weiß in MS – Wir fahrn zur Brücke Alle die der 34 Supporter hier, die die Haßtiraden ‚Rattenball Leipzig‘, ‚Verpißt Euch‘, ‚Dosenschießen‘ usw. ideologisch begünstigt oder verbreitet haben als Umfeld des Feuerzeugwerfers bitte ich, diese Seite zu verlassen, Danke & Gut Sport in Zukunft!

Über rainer kühn

Den autoritären Charakter findet man leider von links bis erwartet rechts in allen Schwatzbuden des Internetzls. (Theodor W. Adorno & seine kritische Theorie)
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2 Antworten zu Tat, Täter, Täterätä – Vor dem Urteil ist nach dem Urteil – VfL vs Leipzig

  1. Pingback: Presse 14.08.2015 | rotebrauseblogger

  2. R8BB schreibt:

    Umso mehr in Anbetracht vieler geistloser Kommentare aus der Fanszene vor und nach der Niederlage stößt auf, daß folgende ZItate aus Texten stammen, die groß und breit, lang und schmutzig in den virtuellen Treffpunkten verlinkt waren. – Na, hilft eh alles nix:

    In beinahe jeder Facebook-Gruppe zu dem Thema ist in Anspielung auf den Vereinsnamen von „Rattenball“ die Rede. Das Kunstwort stammt ursprünglich aus dem rechtsradikalen Teil der Lok-Fanszene.
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    Der MC M.I.K.I., seines Zeichens Fan des BVB, übrigens dem einzigen deutschen Verein, der an der Börse notiert ist, belässt es nicht bei simpler Schuldzuweisung, sondern denkt die strukturell antisemitische Kritik konsequent zu Ende. Für ihn ist RB ein „Virus“, also ein Organismus, der ein alles in allem gesundes System zerstört.
    ***
    Wenn beispielsweise die Fans von Union Berlin auf T-Shirts zwei Ratten gierig auf ein Goldstück zurennen lassen, dann hat das mehr mit antisemitischer Rhetorik als mit tatsächlicher Kritik zu tun. Wenn sie dann noch einen Schritt weiter gehen und sich selbst als „Schädlingsbekämpfer“ bezeichnen, dann schließt die antisemitische Rhetorik zwangsläufig eine Vernichtungsphantasie mit ein, deren traurige wie logische Konsequenz ein Buttersäure-Angriff auf den Leipziger Gästeblock war.
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    Kritik an der Kommerzialisierung des Fußballs ist absolut richtig und angebracht – so lange sie mit dem System in Verbindung gebracht wird. Das System heißt noch immer Kapitalismus und der Fußball kann sich und konnte sich diesem System nie entziehen. Kommerzialisiert ist jeder Profi-Fußballverein.

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